Netzwerken ohne Netz

Der Standort eines Unternehmens ist weit mehr als nur eine geografische Frage – er kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Diese Lektion habe ich auf meiner beruflichen Reise durch Italien und Österreich aus erster Hand gelernt.

In Pisa steht der Schiefe Turm, aber "Wien ist anders"

Ich zog von Pisa, der charmanten Stadt mit dem berühmten Schiefen Turm und einer der ältesten Universitäten Europas nach Wien, in der Hoffnung, die ideale Bühne für meine anspruchsvollen Designstücke zu finden. Mit seiner lebhaften Kunstszene, Musik und kulturellen Vielfalt – ganz zu schweigen von der höheren Kaufkraft im Vergleich zu Italien – schien Wien der ideale Ort zu sein.
Drei Jahre lang nahm ich an unzähligen Networking-Veranstaltungen teil – insbesondere solchen, die Frauen in der Wirtschaft unterstützen – und arbeitete mit einer PR-Spezialistin zusammen, um Ausstellungsmöglichkeiten für meine Designs zu sichern. Die Reaktionen der Möbelhändler? Skeptisch bis ratlos – „Warum haben diese Tische so seltsame Beine? Sie sehen aus wie Spinnen!“ Ich entschied mich, die Geschichte dahinter nicht zu erklären (sprich, ich habe das ungewollte Zusammenleben mit grünen Stinkwanzen durch einen kreativen Prozess in Akzeptanz verwandelt).

Ohne Netz im Netzwerk

Bei den Networking-Events fühlte ich mich oft fehl am Platz. Viele der Teilnehmerinnen suchten nach der Familienzeit eine neue berufliche Perspektive und landeten dabei in alternativen Nebengewerben. Der Coaching- und Workshop-Sektor boomte: Selbstfindungs-Coaching, Yoga-Coaching, Frauenpower-Coaching, „Wir-brauchen-keine-Männer“-Coaching. Besonders denkwürdig war eine Teilnehmerin, die ihr eigenes Offline-Netzwerkprogramm während eines Offline-Netzwerktreffens vorstellte – denn offline funktioniert besser als online – in das man sich allerdings online registrieren musste.
Aber mein absoluter Favorit war der Workshop: „Im Handumdrehen zur Interior Designerin mit Pinsel und Heißklebepistole“ – denn anscheinend können ein Crashkurs und ein paar Tutorials Jahre des Studiums ersetzen.
Der Ingenieurtitel auf meiner Visitenkarte sorgte oft für Überraschung. Nach 30 Jahren Berufserfahrung mit Hobbybastlerinnen verglichen zu werden, war – sagen wir mal – entmutigend.

Alle Wege führen nach Rom

Durch den beruflichen Umzug meines Mannes landete ich in der Peripherie von Rom. Ich änderte nichts an meiner Strategie, aber plötzlich funktionierte sie. Die italienische Mentalität spielt dabei eine entscheidende Rolle: Geselligkeit ist eine Lebenskunst, Netzwerken geschieht von selbst, und neue Kontakte entstehen nicht (nur) bei offiziellen Events, sondern auch im Supermarkt, wo man die Wartezeit an der Kasse durch ein sympathisches Gespräch verkürzt.
Auf einer Erkundungstour in meiner neuen Umgebung stieß ich auf eine neu eröffnete Kunst- und Designgalerie. Der Galerist war begeistert von meinen Arbeiten und organisierte kurzerhand drei Ausstellungen in drei verschiedenen Städten. Plötzlich waren die "Spinnenbeine" das Highlight: "Gerade diese Beine machen den Tisch aus! Es sieht aus, als würden sie sich bewegen." Und die einst verachtete grüne Wanze? Jetzt der Star auf Postern und Ausstellungskatalogen.

Fokus auf…

Diese Erfahrung lehrte mich, dass nicht jede Stadt für jedes Unternehmen geeignet ist. Pisa, mit seinem Fokus auf Wissenschaft und Medizin, ließ wenig Raum für Design.
Und Wien? Dort scheinen Kunst und Design in getrennten Sphären zu existieren: Wenn man nicht genau in eine der beiden Kategorien passt, hat man es nicht leicht. In Österreich konzentriert sich auch die künstlerische Ausbildung hauptsächlich auf Technik und Praxis, und die Architektur- und Designbranche ist immer noch stark männlich dominiert – vielleicht trägt auch dies zur klaren Trennung zwischen dem Technischen und dem Künstlerischen bei. Wenn ich auf meine Schulzeit in Österreich zurückblicke, waren technische Schulen immer noch eine Männerdomäne. Kein Wunder, dass viele nicht erwarten, einer fünfzigjährigen Frau in einem Ingenieurberuf zu begegnen.
Rom – oder besser gesagt, der richtige Kontext – bot mir in nur wenigen Monaten mehr Möglichkeiten, als ich jahrelang in Wien vergeblich verfolgt hatte. Künstlerische Ausbildungen einschließlich Architektur und Design zeichnen sich in Italien durch ihren konzeptionellen, philosophischen und ästhetischen Ansatz aus, während die allgegenwärtige Kunstgeschichte ein fruchtbares Umfeld für mein anspruchsvolles Design schafft.

Fazit

Der richtige Standort kann der entscheidende Faktor für den Erfolg eines Unternehmens sein. Innovation, Offenheit für neue Möglichkeiten, ein Verständnis für die lokale Kultur und gezieltes Netzwerken sind wesentliche Elemente für ein neues Unternehmen. Manchmal hängt jedoch der Erfolg oder Misserfolg nicht von der Idee oder der Anpassung ab, sondern einfach davon, dass man im falschen Umfeld nicht gedeihen kann.
Ob Rom die perfekte Stadt für mein Design ist, steht noch in den Sternen, aber im Moment ist es ein guter Ausgangspunkt.

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